7 Faktoren für das Anwachsen der Vermögenskluft

Mechanismen welche die Vermögenskluft wachsen lassen

von Manfred Gotthalmseder

1. Die natürliche Leistungsdifferenz kombiniert mit der Möglichkeit Geld zu horten, führt zu linear steigender Vermögenskluft
Nicht jeder Mensch ist gleichermaßen leistungsfähig. Vom Workaholic bis zum Behinderten, oder auch mit dem Alter abgestuft, ergibt sich ein unterschiedliches Maß an Leistungsfähigkeit der Menschen. Der freie Wettbewerb lässt unterschiedliche Einkommen, je nach Leistung zu. Daran ist an sich nichts verkehrt. Soll jemand, der das Fünffache leistet auch das Fünffache verdienen.
Das Problem liegt darin, dass auch der Leistungsschwache seine Existenz verdienen muss. Wer das Fünfache verdient, wird deshalb noch nicht fünf mal mehr konsumieren, sondern einen Teil seines Einkommens für schlechte Zeiten sparen wollen. Nun wächst sein Vermögen jedes Monat um diesen Teil an.
Hier wird eine naturfremde Eigenschaft des Geldes wirksam: Sein Wert verfällt nicht notwendiger Weise. So kann das Vermögen von Generation zu Generation weiterwachsen. Mögen wir es als fair betrachten, wenn jemand das fünffache leistet und dementsprechend verdient, so führt der lineare Zuwachs über Generationen zu Vermögensunterschieden zwischen den Menschen, die das tausendfache und mehr betragen und uns nicht mehr fair erscheinen, denn sie führen zu ungleichen Konkurrenten im Kampf um Lebensressourcen.

2. Exponentielles Wachstum der Vermögenskluft durch Zinslasten und Zinsgewinne.
Aus der obigen Überlegung ergibt sich, dass wir in einem System leben, in dem das Startkapital unter den Menschen ungleich verteilt ist. Gehen wir davon aus, dass 4 gleichermaßen leistungsfähige Menschen eine Firma zur Gartenbetreuung gründen wollen. Die Konkurrenz hat dazu geführt, dass die Preise für Gartenbetreuung so hoch sind, dass ein fleißiger Mensch davon leben kann und etwas zum sparen überbleibt.
Für Geräte und Fahrzeuge braucht jeder der vier ein Startkapital. Einer hat einen wohlhabenden Vater, der ihm das Startkapital schenkt. Er gründet die Firma, und kann seine Lebenskosten finanzieren, und auch noch etwas dem Sparen zufließen lassen. Seine Guthaben wachsen mit Zins und Zinseszins. Einer kommt aus einer gut bürgerlichen Familie. Er hat ein Grundstück geerbt, aber kaum Geld. Also verkauft er Besitz, gründet die Firma, und arbeitet. Nach 10 Jahren hat er wieder das erspart, was er als Besitz einbrachte, muss aber nun schon wieder in die Erneuerung der Maschinen investieren. Der dritte kommt aus ärmlichen Verhältnissen und hat kein Startkapital. Er nimmt einen Kredit auf seine Eigentumswohnung auf. Aber alles was er sich ersparen kann, geht für die Zinsen seines Kredits auf. Er kann ihn nicht tilgen. Die Bank verlängert den Kredit, so lange er die Zinsen zahlt. Nach seinem Ableben fällt die Eigentumswohnung an die Bank. Der Vierte bekommt gar keinen Kredit, denn er hat nichts, das sich verpfänden ließe. Mit Lebenshaltungskosten, aber ohne Arbeit, wird seine Situation immer schwieriger. Er ist abhängig von Arbeitgebern, da er ansonsten auf der Straße landet. Wir sehen: Die Vermögenskluft zwischen den Vieren steigt, trotz gleicher Leistungsfähigkeit. Das Startkapital ist ausschlaggebend.

3. Steigende Vermögenskluft durch Einkommen aus Kapital
Das Einkommen aus Arbeit kann durch die begrenzte Leistungsfähigkeit eines Menschen nicht beliebig gesteigert werden. Wer das doppelte leistet mag zwei andere Arbeitskräfte ersetzen, und dann auch doppelt so viel verdienen. Aber niemand kann das zehnfache eines Anderen leisten, der ebenfalls in dem für ihn passenden Berufsfeld gelandet ist.
Für Einkommen aus Kapital gelten derlei Begrenzungen nicht. So kann ein Unternehmer sein Kapital in eine Firma investieren, die er durch Manager führen lässt. Erträge, die über die Löhne hinaus anfallen, schöpft er selbst ab. Mit dem zwanzigfachen Kapital kann er zwanzig Unternehmen aufkaufen, und so auch sein Einkommen dementsprechend steigern. Da er für die laufenden Unternehmen keine ständige Arbeitsleistung erbringen muss, ist dem Spiel keine Grenze gesetzt. So basieren die wirklich großen Einkommen heute nicht auf Arbeit, sondern es handelt sich um Kapitalerträge.
Die folgende Grafik zeigt die Jahreseinkommen der Deutschen, von den ärmsten links zu den reichsten im rechten Teil der Grafik. Die hohen Kapitalerträge übersteigen die höchsten Einkommen aus Arbeit um mehr als das dreißig fache und das Durchschnittseinkommen um mehr als das Hundertfache.

4. Steigende Vermögenskluft durch Wettbewerb zwischen ungleichen Konkurrenten
Wettbewerb findet in unserer Marktwirtschaft unter ungleichen Gegnern statt. Kämpfen mehrere kleine Bäckereien in einer Region um Kunden, so wird jene gewinnen, die das bester Preis-Leistungs-Verhältnis bieten kann. Doch so fair geht es am freien Markt selten zu. Eine Bäckerei-Kette, die eine Filiale in der Gegend eröffnet hat andere Möglichkeiten. Sie kann die Ware unter ihrem Preis anbieten, indem sie Gewinne aus anderen Filialen der Kette nutzt, um diese neue Filiale zu stützen. Damit ruiniert sie das Geschäft der örtlichen kleinen Bäckereien. Gehen diese in Konkurs, so fällt die Konkurrenz weg, und die Preise in dieser Filiale können fast beliebig nach oben gesetzt werden. Nun können die Gewinne aus der neuen Filiale genutzt werden, um das Spiel in einer anderen Region fortzusetzen.

5. Steigende Vermögenskluft durch Monopole
Ist jemand der einzige Anbieter am Markt, so kann er über den Preis bestimmen. Durch die Ansammlung großer Vermögen in den Händen weniger, wird dieses Mittel genutzt, um Gewinne zu machen. Wenige Großanleger einigen sich heute darauf, Geld in eine Sache zu investieren, und kaufen zum Beispiel die Weltressourcen eines seltenen Rohstoffs auf, den die Industrie dringend braucht. So werden zum Beispiel bei der Produktion von Leuchtmitteln die Metalle Europium, Terbium und Yttrium verarbeitet. Kaufen die Anleger eines der Metalle auf, so können sie die Industrie erpressen ein Vielfaches des ursprünglichen Preises dafür zu bezahlen, nur um weiter produzieren zu können. Durch die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis haben die Anleger ihr Vermögen gesteigert, ohne eine realwirtschaftliche Leistung erbracht zu haben. Die Kosten müssen die Unternehmen auf die Warenpreise aufschlagen.

6. Steigende Vermögenskluft durch künstlich erzeugte Abhängigkeitsverhältnisse
Die Zerstörung der Umwelt oder der Ruin des Sozialstaates schädigen nicht die Gewinne der Unternehmen. Im Gegenteil: So schafft zum Beispiel erst eine gründliche Verseuchung des Grundwassers mit chemischen Schadstoffen einen Markt für Mineralwasser. Erst eine steigende Arbeitslosigkeit verschafft der Industrie günstige Arbeitskräfte. Deshalb ist eine Wirtschaft, die auf freiem Wettbewerb aufbaut, nicht notwendiger Weise interessiert an einer intakten Versorgungslage. Ein heilendes Medikament bringt weniger Gewinne, als eine Droge, die den Schmerz lindert, aber den Patienten nie heilt. Der CO2 Handel bringt neue Wertpapiere, mit denen spekuliert werden kann. Die größten Probleme unserer Zeit führen in diesem eigenartigen System zu den größten Gewinnen.

7. Steigende Vermögenskluft durch geschickte Vermarktung von Versprechen
Der Wertpapierhandel an der Börse ist ein Handel mit Versprechen. Denn nichts anderes ist ein Wertpapier, als ein Versprechen auf den Wert von etwas. So wird Erdöl zum Beispiel schon verkauft, bevor es aus der Erde geholt wurde, und zwar bis zu 10 Jahre im voraus. http://www.deifin.de/fuwi001f.htm
Umso mehr Sparer für Versprechen als Wertanlage begeistert werden können, desto höher steigen die Preise. So kann ein Wertpapier an Wert gewinnen, ohne dass die dahinter stehende Ware verändert worden wäre. Es gewinnt an Wert, je mehr Käufer es haben wollen, denn der meistbietende wird es erhalten. So lange der Geldzufluss in den Wertpapiermarkt aufrecht bleibt, die Warenmenge aber weniger zunimmt, steigen dort durchschnittlich die Preise. Es herrscht eine marktinterne Inflation. Aus der Wertdifferenz von Einkaufspreis und späterem Verkaufspreis eines Wertpapiers können somit durchschnittlich ständig Spekulationsgewinne erzielt werden.
Je mehr nach Anlage suchendes Geld in Umlauf ist, desto höher fallen die Preissteigerungen im Wertpapierhandel aus. So schafft die Vermögenskluft die Basis für Gewinne aus Vermögen. Sie wirkt selbstverstärkend.
Auch die Rückzahlung eines Kredites ist erst einmal ein Versprechen. Dass Banken eine Forderung auf Geld als Deckung für neue Kredite akzeptieren, führt auf lange Sicht zu Kreditausfällen, die nicht sein müssten. Die Warendeckung mit regelmäßiger Überprüfung ist die sicherste Deckung von Krediten.

Warum die Inflation als natürliches Regulativ versagt
Eine Zusammenfassung der obigen 7 Effekte, welche zur Steigung der Vermögenskluft führen, kann in einem Satz geben werden:
In einem System, in dem mit Kapital ohne realwirtschaftliche Tätigkeit Geld gemacht werden kann, steigt die Vermögenskluft in Form einer Wachstumskurve.
Eigentlich sollten wir uns nicht weiter wundern, wenn die Vermögenskluft steigt, ist doch das System so aufgebaut, dass es sich an den ärmsten, also den Schuldnern, bereichert, indem sie Kreditzinsen zahlen lässt, während es die Reichen mit Sparzinsen belohnt. Der mit steigenden Schulden verbundene Anstieg der Geldvermögen bedeutet aber noch nicht notwendiger Weise einen Zuwachs an Kaufkraft. Der klassischen Volkswirtschaftslehre zufolge müsste nämlich dann, wenn die Geldvermögen über die handelbaren Güter hinaus anwachsen eine Inflation zustande kommen. Diese tritt ein, sobald weniger Waren am Markt sind, als Zahlungsmittel. Die Händler bemerken dieses Ungleichgewicht, da die Nachfrage das Angebot übersteigt. Sie reagieren mit Erhöhung der Warenpreise.

Die Trennung von Realwirtschaft und Finanzmarkt
Aber der Markt weist heute kein Unterangebot von Waren auf, sondern das Gegenteil. Deshalb können auch die Gehälter bei den Tarifabschlüssen nicht immer der Inflationsrate angepasst werden, denn wenn die Waren nicht verkauft werden können, verfügen die Unternehmen nicht über die Mittel die Gehälter zu zahlen. Somit kann die Inflation nicht als Regulativ wirksam werden. Das Warenüberangebot stellt einen Widerspruch zur klassischen Theorie der Ökonomie dar. Denn bei einem Überangebot von Geld sollten doch die Waren aufgekauft werden. Diese Unstimmigkeit ist dadurch zu erklären, dass wir heute zwei Wirtschaftsräume unterscheiden müssen, deren Kreisläufe nur schwach korrelieren. Das Überangebot an Geld existiert tatsächlich im Wertpapierhandel. Das durch die steigende Vermögenskluft zustande gekommene Vermögen sucht dort nach Anlagemöglichkeiten. Die auf den Wertpapiermarkt einströmenden Geldmengen führen dort zu ständigen Preisanstiegen. In der Realwirtschaft, in der Waren gehandelt werden, die auch tatsächlich dem Konsum zufließen, herrscht jedoch Geldmangel und Warenüberangebot. Es sollte somit Deflation eintreten.
Die Deflation bleibt aus, da die Unternehmen die Preise nicht senken können. Der Wertpapierhandel erpresst sie mit steigenden Zinslasten und erhöhten Rohstoffpreisen, denn der Rohstoffhandel ist Teil des Wertpapiermarktes. Da die Konsumenten der Realwirtschaft nicht über die Geldmittel verfügen um die erhöhten Preise zu zahlen, kommt es zu einer zunehmenden Blockade des realwirtschaftlichen Handels durch fehlende Kaufkraft.
Es gibt Ideen diesen Einfluss des Wertpapiermarktes auf das Geldsystem durch ein striktes Trennbankensystem aufzuheben. Das Geld der Sparer aus der Realwirtschaft, muss dann auch wieder durch Kredite in die Realwirtschaft zurück wandern. Was aber, wenn sich nicht genügend Kreditnehmer finden lassen? Wenn die Banken mit dem Geld der Sparer nicht mehr spekulieren, so tun die Sparer es immernoch selbst. Der Wertpapierhandel kann also nicht wirklich unterbunden werden. Wir brauchen ein Geldsystem, das erst gar nicht zu dieser Vermögenskluft führt.

Quelle: http://geldmitsystem.org/forums/showthread.php?tid=196