Kapitalismus: Der Glauben an die freie Marktwirtschaft

Kapitalismus: Der Glauben an die freie Marktwirtschaft | Volker Pispers … bis neulich
Der Club of Rome hat ja schon in den 70er Jahren vorher gesagt, was jetzt passiert. Der Kapitalismus, der beutet die Ressourcen des Planeten hemmungslos aus, entzieht uns unsere eigenen Lebensgrundlagen und die Menschen werden auch ausgebeutet. Und Sie müssen auch gar kein Marxist sein, um das nachvollziehen zu können.
Sie müssen den Kapitalismus endlich nun mal ernst nehmen. Der Kapitalismus ist ja unsere neue Religion, im Grunde unsere Ersatzreligion. Wir haben den Glauben in alles verloren, wir glauben aber noch an die freie Marktwirtschaft.
Und weil die freie Marktwirtschaft oder der Kapitalismus eine Religion ist inzwischen, dürfen Sie auch nichts mehr dagegen sagen. Wenn Sie da was gegen sagen, das ist ja wie Gotteslästerung, sind Sie sofort ein Ketzer und ein Spinner. Und unsere Götter, die wir anbieten im Kapitalismus, sind Wachstum und Produktivität.
Das sind unsere Götter. Beschäftigung durch Wachstum, das Mantra unserer Politiker. Beschäftigung gibt es nur durch Wachstum.
Es muss immer mehr werden, immer mehr. Und das macht die Menschen glücklich und zufrieden. Immer mehr, immer mehr.
Wir haben seit 25 Jahren eine Situation, dass wir in diesem Land mehr Dinge herstellen, als wir verbrauchen können. Wir schmeißen ein Drittel aller Lebensmittel weg, die wir herstellen. Wir schmeißen ein Drittel aller Medikamente weg, die hergestellt und verschrieben werden.
Und es ist von allem zu viel da. Es gibt auch zu viel Geld. Das ist das Verrückte an der Wirtschaftssituation.
Die einen sitzen da und kommen nicht klar und die anderen haben so viel Geld, dass sie nicht mehr wissen, wo sie es anlegen sollen. Auf der verzweifelten Suche nach Anlagemöglichkeiten ist ja so viel Geld weltweit unterwegs, dass diese Finanzprodukte erst erfunden worden sind. Der Zins ist doch am Boden.
Und der Zins ist der Preis fürs Geld. Wenn von einer Sache viel da ist, sinkt der Preis. Und die Zinsen sind auf dem absoluten Nullpunkt, außer für die Griechen.
Und da sehen sie auch, dass das alles völlig absurd ist und auch mit der Realität gar nichts zu tun hat. Es ist von allem zu viel da, aber wir brauchen Wachstum. Auf dem Grabstand des Kapitalismus wird später stehen, zu viel war nicht genug.
Wir brauchen ewiges Wachstum. Ewiges Wachstum, das ist schwierig, fragen Sie Rainer Kallmund. Aber wir müssen dabei bleiben.
Und es muss immer mehr werden. Die Firmen müssen jedes Jahr mehr verdienen als im Jahr davor. Wenn ein Konzern drei Jahre lang hintereinander denselben Gewinn macht, dann sagen die Analysten, die Aktie wird runtergestuft und dann geht ihre kapitalgedeckte Altersvorsorge schnell in den Bach runter, als der Meeresspiegel steigen kann.
So sind die doch bei 26% Eigenkapitalrendite angekommen bei der Deutschen Bank, weil es jedes Jahr noch mehr werden muss als im Jahr davor. Und das erreichen wir mit der Produktivität. Produktivität, unser zweiter Gott.
Mit immer weniger Menschen, in immer kürzerer Zeit, immer mehr herstellen. Und da waren wir Deutschen immer die Weltmeister drin. Wir sind ganz vorne mit der Produktivität.
Und jetzt stoßen selbst die arbeitswütigen Deutschen an die Grenzen. Wir haben gerade an Produktivität erreicht, dass die Menschen, die nur Arbeit haben, krank werden. Die psychosomatischen Erkrankungen massiv auf dem Vormarsch in ganz Deutschland.
Burnout war früher was ganz exotisches. Haben sie heute flächendeckend in allen Berufen vertreten. Die Menschen werden krank, weil sie Arbeit haben.
Der Rest wird krank, weil er gar keine Arbeit hat. So tut der Kapitalismus was für alle. Kann man natürlich auch sagen.
Aber sie kommen aus der Nummer nicht raus. Wenn sie diese Religion einmal als ihre angenommen haben, dann müssen sie darin leben und dann müssen sie arbeiten und kämpfen und produktiv sein und Wachstum und immer mehr und immer mehr. VW hat gesagt, wir brauchen sieben Prozent Produktivitätszuwachs jedes Jahr, um den Standort Deutschland zu halten.
Allein VW. Sieben Prozent Produktivitätszuwachs. Wie erreicht man das? Sie können zum Beispiel jedes Jahr dieselbe Zahl Autos mit sieben Prozent weniger Mitarbeiter herstellen.
Wie oft können sie sieben Prozent der Belegschiffe entlassen, bis sie keine mehr haben? Ist kein Konzept für die Zukunft, oder? Sie wollen ja in 20 Jahren ihre kapitalgedeckte Altersversorger auch mit VW-Aktien abdecken. Bis dahin müssen sie die ja durchhalten. Die andere Möglichkeit ist, mit derselben Zahl Mitarbeiter und sieben Prozent weniger Lohn jedes Jahr.
Wie oft können sie den Leuten sieben Prozent Lohn kürzen, bis sie nicht mehr zur Arbeit kommen können? Geht also auch nicht. Die Möglichkeit, die existiert, ist also nur mit derselben Zahl Mitarbeiter und demselben Lohn jedes Jahr sieben Prozent mehr Autos herstellen. Das schaffen die auch bei VW.
Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, die Dinger zu verkaufen. Wir haben schon jetzt in Europa 20 Prozent Autos mehr, die hergestellt werden, als verkauft werden können.
Und VW will jedes Jahr sieben Prozent Produktivitätszuwachs dazubekommen. Jedes Jahr. Das sind ja Exponentialkurven.
Schon ihre Enkel werden jeden zweiten Monat ein neues Auto kaufen müssen. Bei Handys ist die Situation längst erreicht. Wir haben seit Jahren mehr Handys als Deutsche.
Vor allen Dingen sehr viel mehr Handys als Deutsche, die sie bedienen können. Aber Handys sind der Wachstumsmarkt überhaupt, oder? Es gibt doch immer permanent noch neue Handygeschäfte, die aufmachen. In den Fußgenerationen machen überhaupt nur noch zwei Sorten von Geschäften neu auf, habe ich den Eindruck.
Sonnenbankstudios und Handyläden. Das ist der Höhepunkt der westlichen Zivilisation. Man lässt sich das Hirn braten, um bereit zu sein für den nächsten Handykauf.
Und mit einem geschickten Auge können sie an der Gesichtsbräune eines Menschen ablesen, wie viele Handys der in der Hose hat. Und sie müssen mitmachen, sie müssen kaufen, kaufen, kaufen. Vor allen Dingen Handys, das ist der Wachstumsmarkt, da müssen sie mithalten.
Sie müssen jeden Monat ein neues Handy kaufen und kommen sie nicht mit der ollen Nummer, sie hätten nur zwei Ohren. Das ist überhaupt kein Argument. Sie haben ja auch mindestens 20 Paar Schuhe und nur zwei Füße.
An der Stelle haben sie es doch begriffen. Ja, an der Stelle haben zumindest Frauen eine angeborene, emotionale, kapitalistische Intelligenz. Der Kapitalismus, das ist wie das Märchen von Fischer und seiner Frau.
Kennen Sie noch das? Alte Märchen von Fischer und seiner Frau. Der Fischer hat ja diesen Butt kennengelernt auf dem Meer und der Butt hat ihm einen Wunsch erfüllt. Er kommt nach Hause und die Frau sagt, wo hast du denn das her? Ja, hat mir der Butt geschenkt.
Sagt die Frau, das ist ja schon schön, aber fahr doch nochmal raus, ich wünsche mir das und das. Der Fischer raus und sagt, Butt, tut mir furchtbar leid, es ist mir auch unangenehm, aber meine Frau ist noch nicht zufrieden. Die hätte das auch noch gern.
Ja, sagt der Butt, kein Problem, kriegst du auch noch. Der fährt wieder nach Hause und die Frau sagt, ey, hat ja schon wieder geklappt. Hör mal, das hätte ich auch noch gern, fahr wieder raus.
Und die schickt den immer wieder raus. Und jedes Mal immer diese Geschichte, der Fischer ganz betroffen von dem Butt, mir eine Frau, die easy will, will nicht so, wie ich das will. Die schickt den immer wieder raus.
Die Frau kriegt den Hals nicht voll. Sie wird niemals glücklich und zufrieden. Sie will immer noch mehr, noch mehr, noch mehr, noch mehr.
Und irgendwann sagt der Butt, wisst ihr was, ihr könnt mich mal. Ich nehm euch alles wieder weg. Das ist das Märchen vom Fischer und seiner Frau und das Märchen vom Kapitalismus.
Wir haben immer mehr, mehr, mehr, mehr, mehr und keiner wird zufrieden und irgendwann ist alles in sich zusammengebrochen. Und die treibende Kraft bei der ganzen Sache, da sind nun mal die Frauen. Ich hab das Märchen nicht geschrieben.
Ich bin nur der Überbringer der schlechten Nachricht. Ja, buuuh. Wann kauft ihr Mann eine neue Hose? Wenn Sie sagen, die ziehst du nicht mehr an.